Stadt gestalten
Ein Ort.
Die Rohrmeisterei ist ein Ort des Austausches. Ein Ort, an dem sich Menschen treffen, an dem Menschen zeigen, was sie tun: Kabarett, Theater, Comedy, Lesungen, Konzerte, Vorträge, Messen, aber auch ein Ort, wo man gemeinsam essen und feiern kann. Ein Ort der Kultur.
Eine Mauer.
Und dann gibt es an diesem Ort eine Mauer. Beton, über vier Meter hoch und fast 50 Meter lang. Oft endet an Mauern der Austausch, eine Mauer bildet eine Grenze, eine Mauer trennt, eine Mauer kann schützen (wie z. B. diese Lärmschutzwand), eine Mauer kann einschließen oder ausschließen. Bei einer Mauer gibt es ein davor und ein dahinter. Genau dies sind Funktionen, die Mauern erfüllen sollen, dafür werden Mauern errichtet.
Das ist doch ein Widerspruch.
Ein Ort des Austausches und eine Betonmauer, ist das nicht ein Widerspruch? Sicherlich, und man hätte versuchen können, die Mauer zu verstecken, um so dem Widersprüchlichen auszuweichen. Aber, wenn dieser Ort ein Ort des Austausches ist, ein Ort der Kultur, dann könnte man auch in einen Austausch über das Widersprüchliche treten. Aber wie kann man das machen?
Vielleicht mit Kunst?
Künstlerisches Arbeiten, das ist kein Geheimnis, ist voller Widersprüche, und daher kennt sich das Künstlerische gut mit dem Widersprüchlichen aus. Womit sich das Künstlerische ebenso gut auskennt, ist das Sichtbarmachen. Und auch mit dem Austauschen ist das Künstlerische vertraut: In vielen Bildern treffen unterschiedliche Farben und Formen aufeinander, mal ergeben sie ein Gesicht, ein anderes Mal sind es abstrakte Formen, die aufeinander reagieren. Immer aber gibt es einen Austausch zwischen den unterschiedlichen Elementen.
Was soll das sein?
Oft hört man im Zusammenhang mit Künstlerischem die Frage: „Was soll das sagen?“ oder „Was soll das darstellen?“ Und dann bekommt man mehr oder weniger zufriedenstellende Antworten. Oft sind die Antworten übrigens weniger zufriedenstellend. Vielleicht liegt das aber daran, dass man das Austauschen vergessen hat. Die künstlerische Bearbeitung dieser Lärmschutzwand, die übrigens keinen Titel hat, will nun aber nichts „sagen“ und auch nichts „darstellen“, sondern setzt sich in einen Austausch mit dem Ort, an dem sie steht.
Was kann das werden?
Die Mauer wird so zu einer Membran – einerseits eine Grenze, andererseits aber durchlässig für das Dahinter, und auch ein Spiegel für das Davor. Die Baumkronen und der (oft graue) Himmel hinter der Mauer werden an der oberen Mauerkante „umgeklappt“ – gespiegelt. Das Gebäude der Rohrmeisterei – vor der Wand – spiegelt sich in den Bildtafeln der Jugendlichen, die das Gebäude fotografisch erkundet haben. Die Mauer selbst wird zu einem Ort des Austausches. Hier treten Elemente der Natur und der Kultur miteinander in einen Austausch. Und diejenigen, die die Wand betrachten stehen davor und auch dazwischen – zwischen den Bäumen, der Wand und der Rohrmeisterei. Und jetzt, wenn man schon mittendrin ist, könnte man eigentlich anfangen, sich auszutauschen ...